(Anzeige) Wenn wir uns die Ausgangssituation ansehen, stellen wir fest, dass gegen Ende der 1990er Jahre am Briefmarkenmarkt einiges im Argen lag. Die Asiatischen Tiger sprangen nicht mehr, nach der teilweisen Hausse der Wendezeit wurde der Niedergang der sogenannten Standardware eingeläutet. Generell war eine gewisse Orientierungslosigkeit im philatelistischen Markt zu spüren. Da tat sich plötzlich die Pforte zum Paradies auf: Ebay!

Zunächst waren es nur wenige deutsche Händler, die sich auf diesen Markt wagten. Es geschah fast unbemerkt, zu einer Zeit, als die Modems noch Lärm machten und ewig brauchten, um sich mit dem Internet zu verbinden.

Doch die Ergebnisse waren im positiven Sinne schockierend. Ware, die fast unverkäuflich in den Lagerbüchern vor sich hin staubte, erzielte Rekordpreise. Alles, was mit der deutschen Vergangenheit zu tun hatte, auch zweite Wahl, konnte für sehr gute Preise an den Käufer in Übersee gebracht werden. Selbst moderne deutsche Ausgaben gingen für ein Mehrfaches des Nominalwertes über die virtuelle Ladentheke. Bezahlt wurde zunächst noch traditionell: Zumeist wurden US-Dollar bar um die Welt geschickt. Es konnten aber auch Yen, Escudos oder Pfund sein und so wie bei jedem Boom zog auch dieser immer mehr Händler an.

Nach wenigen Jahren war so viel Ware um die Welt geschickt, dass sich die Preise immer mehr auf ein bestimmtes Niveau einpendelten. Was vor dem Boom Massenware war, verfiel auch wieder zu solcher. Und der kontinuierliche Preisrückgang für den größten Teil moderner deutscher Briefmarken setzte sich fort.


Was hat sich konkret verändert?

Wenn wir uns den Handel anschauen, so ist festzustellen, dass dieser online nun an ein weltweites Publikum herantreten kann. Somit veränderte sich auch die Zusammensetzung der Ware der meisten Händler. Während man früher fast nur mit Standardmaterial Deutschlands, Österreichs und der Schweiz bei seinem Stammpublikum punkten konnte, ist heute alles über das Internet zu vermarkten.

Der Rückgang des stationären Einzelhandels ist nur teilweise auf das Internet zurückzuführen. Vielmehr traf diesen, wie den Rest der deutschen Wirtschaft auch, das Phänomen der mangelnden Nachfolgebereitschaft, so dass viele Händler, ohne einen Nachfolger zu finden, ihre Läden schließen mussten. Andere Händler entdeckten, dass mit der Verlegung des Handels ins Internet neben einer größeren Kundschaft auch mehr Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeiten und geringere Fixkosten verbunden waren.

Aufgrund der in Deutschland enormen rechtlichen Anforderungen an Online-Händler und dem gestiegenen Interesse der Finanzämter hat sich in diesem Bereich aber mittlerweile die Spreu vom Weizen getrennt. Gehalten haben sich die meisten Auktionshäuser, da sie schon immer als Magneten für Ware fungierten und mit entsprechenden Internetauftritten sowie ihren häufig großen Namen sehr viel Ware an sich binden können. Mittlerweile sind auch viele dieser Häuser auf Handelsplattformen vertreten, um ihr überschüssiges Material an den Sammler zu bringen, oder auch einfach zwischendurch etwas Liquidität zu erhalten. Diese permanent zu erlangende Liquidität ist natürlich auch für viele traditionelle Händler sehr verlockend.

Für die Sammlerschaft hat sich mit dem Internet buchstäblich die Welt verändert. Wenn man früher froh sein konnte, eine bestimmte Katalognummer überhaupt ausstreichen zu können, sind bei vielen Sammlern die Anforderungen an das in die Sammlung zu integrierende Material deutlich gestiegen. So dürfen es heute gerne Rand- und Eckrandstücke, Formnummern, Hausauftragsnummern, Einheiten und vieles mehr sein. Vieles ist heutzutage rund um die Uhr online verfügbar und nur den buchstäblichen Mausklick entfernt. Jedoch wird auch durch eine solche Spezialisierung der Preisverfall für die eher einfache Ware beschleunigt.

Weiterhin stehen Sammler häufig vor dem Problem der Echtheit der online angebotenen Ware. Während früher der Fachhändler mit gutem Rat zur Seite stand und man sich auf sein Urteil verlassen konnte, sind Sammler heute viel mehr auf sich selbst gestellt im dichten Dschungel der Online-Angebote. Und da wimmelt es von Fragwürdigem. Seien es falsche Stempel, Manipulationen von Gummierung oder Zähnung, Ganzfälschungen von Zeppelin-Belegen und vieles weitere. In der Regel findet vor dem Einstellen von Losen keine Kontrolle statt. Auch wenn dann von Nutzern Fälschungen gemeldet werden, erfolgt häufig keine Reaktion seitens der Seitenbetreiber

Generell lässt sich sagen, dass mit dem Aufkommen des Internet-Handels der Handel selbst, aber auch die Art und Weise des Sammelns dramatische Änderungen erfahren haben. Jedoch bestehen die traditionellen Formen des Handels und Austausches, wenn auch in geringerem Umfang, fort. Eine komplette Verlagerung in das Internet wird wohl nicht zu erwarten sein. Menschen brauchen nach wie vor, gerade bei so einem schönen Hobby wie dem Sammeln von Briefmarken, den direkten Austausch miteinander. Auch ist nicht zu erwarten, dass jemals 100% der Sammler dem Medium Vertrauen schenken werden, was vor allem von einem Mangel an Kontrolle und Auswahl bei den meisten Online-Plattformen herrührt. Wo die stationären Auktionshäuser durch Vorauswahl und in der Regel objektive Beschreibungen ihrer Objekte punkten können, fehlt dies online weitgehend. Sammler müssen durch Versuch und Irrtum herausfinden, wem sie vertrauen können, was nicht selten eine kostspielige Angelegenheit ist.

Eine der wenigen Ausnahmen im Online-Handel stellt momentan die Online-Auktionsplattform Catawiki dar, bei der ich auch selbst tätig bin. Dort werten hauseigene Experten für jedes Gebiet akribisch aus, was an eingelieferter Ware in eine Auktion integriert werden kann und sorgen für eine möglichst objektive Beschreibung der Objekte. Dies ist sicherlich ein sehr aufwändiges und kostspieliges Unterfangen, allerdings unerlässlich, um Vertrauen im Online-Handel zu gewinnen und ein größtmögliches Maß an Sicherheit herzustellen.


Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Suche nach dem nächsten Stück für die eigene Sammlung durch die Digitalisierung einfacher geworden ist. Klassische Auktionshäuser haben dies erkannt und mischen mehr und mehr in diesem „neuen Markt“ mit. Einige Firmen versuchen, das Beste der digitalen und der analogen Welt zu verbinden. Dies ist zumindest ein lobenswerter Ansatz, um die Sammelleidenschaft für Briefmarken ins 21. Jahrhundert hineinzutragen. Themen wie Echtheit und Vertrauen in den Handelspartner waren, sind und werden immer Teil der eigenen Sammelleidenschaft sein. Wie sich der Markt weiter entwickelt wird also spannend zu beobachten sein.


Der Autor

Benedikt Reichl erinnert sich noch lebhaft an die spannenden Familienausflüge als er fünf Jahre alt war. Beim Bielefelder Briefmarken-Outlet hat man Briefmarken damals nach Gewicht gekauft. Die Briefmarken kamen in eine große Tasche und wurden erst zu Hause genauer untersucht. Diese Tradition entfachte in Benedikt die eigene Sammelleidenschaft und er begann, sich auf das Sammeln europäischer Briefmarken zu konzentrieren. Mit dem Verkauf von Sammlungen finanzierte Benedikt Reichl sein Jurastudium. Bereits während seines Studiums hatte er sich schon zu einem Experten im Onlinehandel entwickelt und im Laufe der Jahre konnte er ein umfassendes Wissen über Briefmarken aus der ganzen Welt aufbauen.

Heute hat Benedikt Reichl sein Hobby zum Beruf gemacht und arbeitet als Experte für Catawiki.