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Sehr geehrte MICHEL-Redaktion,

in einer Kilowarenmischung fand ich eine „Stempelmarke“ von Preußen. Da ich diese keiner im MICHEL gelisteten Marke zuordnen kann, beschleichen mich Zweifel, ob solche Marken überhaupt existieren.

Die Marke befand sich auf einem Briefabschnitt, und der Stempel war schon nicht mehr vollständig. Ich habe Ihnen die Marke eingescannt, damit Sie sich einen Eindruck von ihr machen können. Es ist ein sehr schönes Stück, obwohl durch die Mitte ein leichter Knick läuft. Dennoch gibt es etliche Ungereimtheiten als da wären: die ungewöhnliche Größe im Vergleich zu den anderen Briefmarken jener Zeit, die handschriftliche Entwertung, der Zeitpunkt der Entwertung – die Briefmarken des Deutschen Reiches waren schon etwa 20 Jahre im Umlauf – und die ungewöhnliche Währungsangabe.

Können Sie mir nähere Informationen über diese Marke zukommen lassen? Handelt es sich um eine Fälschung? Oder galt sie nur für besondere Anlässe, beispielsweise als Dienstmarke?

Desweiteren fand ich in der Kiloware noch drei andere Marken jüngeren Datums, die Besonderheiten aufweisen: Zum einen das verschobene Markenbild bei der 110-Pfennig-Marke und zum anderen die Farbabweichungen, die sich als leichte lila-farbene Streifen bzw. als deutlich dunklerer Hintergrundton im Vergleich zur weißen Originalmarke zeigen.

Für Ihre Mühe danke ich Ihnen im Voraus.

Mit freundlichem Gruß
Volker S.


Sehr geehrter Herr S.,

Der Terminus „Stempelmarke“ ist eine früher gebräuchliche Bezeichnung für Steuer- oder Gebührenmarken, also für Wertzeichen zur Erhebung staatlicher Abgaben nicht-postalischer Art. Das von Ihnen vorgelegte Stück ist eine durchaus existente Marke, die in Verwendung war, nachdem in Preußen bereits die Postwertzeichen des Norddeutschen Bundes und dann des Deutschen Reiches galten. Sie ist aber eben keine Briefmarke und erscheint damit nicht im MICHEL, denn im MICHEL werden Steuermarken nur dann gelistet, wenn sie auch zur Begleichung von Porto zugelassen waren. Bezahlt wurde mit dieser Marke vermutlich eine Dienstleistung einer Behörde im damaligen Königreich Preußen über 1 ½ Mark – nach der Gründung des Deutschen Reiches war auch in Preußen die Mark-Währung eingeführt worden. Die handschriftliche Entwertung zusammen mit der Siegelstempel-Entwertung ist bei den Steuermarken Preußens üblich.

Bei der Sondermarke BRD MiNr. 2130 anlässlich der EXPO 2000 in Hannover liegt eine leichte Verzähnung vor, sodass am Unterrand noch Teile der Nachbarmarke aus dem Bogen sichtbar sind. Verzähnungen sind sehr variabel und werden daher zu den Produktionszufälligkeiten gerechnet, nicht zu den Abarten. Als solche werden sie nicht im MICHEL gelistet, eignen sich aber gut, um die Unwägbarkeiten bei der Herstellung von Postwertzeichen zu dokumentieren.

Bei den anderen von Ihnen vorgelegten Marken, Bund MiNr. 1012 und 1210, vermuten wir, dass sie während des Ablösevorganges verfärbt wurden – wahrscheinlich, weil sie auf einem Umschlag von braunem oder rötlichem Papier klebten, der einen Teil seiner Farbe im Wasserbad an die Marken abgegeben hat. Diese Erscheinung ist weder als Abart noch als Produktionszufall zu werten, sondern als Veränderung im Nachhinein und somit als Mangel.

Mit freundlichen Grüßen
MICHEL

MICHEL-Tipp: Nicht immer ist es einfach, Abarten zweifelsfrei von Druckzufälligkeiten zu unterscheiden. Typische Abarten sind beispielsweise echte Doppeldrucke, echte Farbfehldrucke, ausgefallene Druckgänge, rückseitiger Druck, Kopfstehende Bildteile, ausgefallene Zähnung und Plattenfehler. Typische Zufälligkeiten sind Doppelbilddrucke, Abklatsche, Passerverschiebungen, Verzähnungen und Butzenauflagen. Im MICHEL-Abartenführer findet der interessierte Philatelist Beschreibungen und Beispielabbildungen für diese Phänomene; im Zweifelsfall hilft auch eine Kontaktaufnahme mit den zuständigen Prüfern des BPP unter www.bpp.de.

Alle interessanten Leseranfragen und -Hinweise lesen Sie auch in der monatlich erscheinenden MICHEL-Rundschau.