(tb) „Barbarossakopf; Reliquiar aus Cappenberg (1165)“ – so lautete jahrzehntelang die MICHEL-Bildbeschreibung zur Sondermarke, die 1977 anlässlich des Stauferjahres in Baden-Württemberg erschienen war, MICHEL-Nummer 933.

Seinerzeit entsprach die Aussage auch tatsächlich dem Stand der historischen Forschung; selbst auf dem offiziellen Katalog zur großen Staufer-Ausstellung in Stuttgart 1977 sahen wir das Kunstwerk, das zweifellos zu den bedeutenden Arbeiten des Mittelalters zählt.

Doch weiß die Forschung heute mehr: Das Reliquiar zeigte mit hoher Wahrscheinlichkeit nie den Kopf Friedrichs I. Barbarossa, übersetzt Rotbart. Vielmehr handelte es sich von Anbeginn an um ein dem Evangelisten Johannes geweihtes Reliquiar der Stiftskirche St. Johannes Evangelist in Cappenberg. Dass sich die Wissenschaftler über Jahrhunderte hinweg geirrt haben, liegt an der Nachlassliste Otto von Cappenbergs, des Taufpaten Barbarossas und Bruders des Klostergründers Gottfried von Cappenberg. In diesem Schriftstück erschien der Hinweis auf eine vergoldete Silberbüste „nach dem Antlitz eines Kaisers“. Allein auf dieser Basis erfolgte die Zuordnung. Da man aber inzwischen die Materialien von Kunstwerken genauer untersuchen kann als noch vor 45 Jahren, weiß man jetzt, dass unter der Vergoldung keine Spur Silber steckt. Somit gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Arbeit keineswegs Barbarossa zeigt, sondern den Evangelisten Johannes – so, wie es sich für ein Johannesreliquiar eigentlich gehört.

MICHEL-Leser entdecken die aktualisierte Bildlegende mit erläuternder Fußnote erstmals im MICHEL-Deutschland-Spezial 2023.