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Die im 16. Jahrhundert von der Reformation in Gang gesetzten gesellschaftlichen Umwälzungen sind im kollektiven Gedächtnis vor allem mit den Namen Martin Luther und Philipp Melanchthon, Huldrych Zwingli und Johannes Calvin verknüpft – allesamt Männer.

Weniger bekannt ist, dass es auch zahllose Frauen gab, die sich für die Ausbreitung der Reformation eingesetzt und sie durch ihr Wirken entscheidend mitgeprägt haben. Darunter nicht nur Katharina von Bora, die Ehefrau von Martin Luther, und Anna Zwingli, sondern auch viele andere, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind.

Mit der reformatorischen Lehre kam nicht nur ein neues Gottes-, sondern auch ein neues Menschenbild auf. Das hatte weitreichende Folgen: Da vor Gott alle Menschen gleich seien, wurden Frauen nicht mehr als den Männern untertan, sondern als gleichberechtigt begriffen. Alle Wahrheit sei in der Bibel zu finden, deshalb sei es wichtig, dass alle Christen, mithin auch Frauen, sie lesen könnten. Damit war das Recht auf Bildung für Mädchen und Frauen formuliert.

Weil laut der neuen Lehre jeder Getaufte die priesterliche Aufgabe der Predigt ausführen durfte, konnten sich Frauen fortan auch als Laientheologinnen betätigen. Viele ergriffen die neuen Möglichkeiten, die ihnen der reformatorische Glaube bot. Zum Beispiel die beiden Herrscherinnen Elisabeth von Braunschweig-Calenberg-Göttingen und Elisabeth von Rochlitz, die Publizistin Argula von Grumbach und die Pfarrfrau Katharina Zell.

Die Reformatoren sahen das weibliche Engagement mit gemischten Gefühlen. Sie begrüßten zwar die Unterstützung, doch wo Frauen konkrete Rechte für sich einforderten, konnten sie sich meist nicht durchsetzen. Und so bleibt festzuhalten: Viele Frauen halfen bei der Einführung des neuen Glaubens und nahmen dabei nicht selten große persönliche Risiken in Kauf. Die reformatorische Bewegung eröffnete ihnen viele neue Freiheiten, doch Gleichberechtigung, wie wir sie heute verstehen, wurde damals nicht geschaffen.

Erstausgabetag: 1. Oktober 2020

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