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Das ehemalige Sudetenland lag im Herzen Europas in den Grenzgebieten der heutigen Staaten Deutschland, Österreich, Polen, Slowakei, Tschechei und Ungarn. Das Siedlungsgebiet umfasste nicht nur das Sudetengebirge, sondern das gesamte deutschsprachige Grenzgebiet der damaligen Tschechoslowakei zum Deutschen Reich und Österreich. Die Gebietsgröße betrug ein Drittel der Tschechoslowakei.

Seit Jahren prosperiert dieses Sammelgebiet mit Potential. Denn durch kleine und kleinste Postwertzeichen-Auflagen sowie der extrem kurzen Frankaturgültigkeit grenzt sich die Sudetenphilatelie von anderen Gebieten deutlich ab. Sie besitzt einen exquisiten, teils exotischen Charakter – fernab vom Mainstream. Gutes und Edles ist selten und zudem fälschungsgefährdet. Dies trifft auch für die Briefmarken des Sudetenlandes zu. Fundiertes Fachwissen, insbesondere über die Überdruckarten, ist daher besonders wichtig.

Es gibt nur sieben amtlich legitimierte Ausgaben: Asch, Karlsbad, Konstantinsbad, Niklasdorf, Reichenberg, Maffersdorf und Rumburg. In anderen Orten überdruckte Marken sind nicht amtlich legitimiert und zählen zu den privaten Erinnerungsdrucken. In den Gebieten Asch, Konstantinsbad, Niklasdorf und Rumburg wurden die Überdrucke im Buchdruck erstellt. In Karlsbad, Reichenberg und Maffersdorf wurden dagegen unterschiedliche Hand-Gummistempel verwendet und zwar 7 Stempel in Karlsbad, 4 Stempel in Reichenberg und 1 Stempel in Maffersdorf. Innerhalb der jeweiligen Gebiete sehen diese Stempeltypen ähnlich aus, lassen sich aber mit entsprechendem Fachwissen unterscheiden.

Die Typisierung dieser Überdruckstempel ist von elementarer Bedeutung, denn dadurch lässt sich jeder Überdruck dem jeweils verwendeten Originalstempel zuordnen. Da die Anzahl der verwendeten Handstempel begrenzt ist, bedeutet dies im Umkehrschluss: Überdrucke, die keinem Originalstempel zugeordnet werden können, sind nicht echt!

Karlsbad

Karlsbad liegt zwischen Kaiserwald und Duppauer Gebirge an der Mündung der Tepl in die Eger und war der bedeutendste Kurort im Egerland. Heute gehört Karlsbad (Karlovy Vary) zu den traditionsreichsten Bädern der Welt. 1938 wurden in Karlsbad farbige Handstempelaufdrucke in 3 Haupttypen verwendet, die dem Sammler auch aus dem MICHEL-Deutschland-Spezial bekannt sind: die Aufdrucktype I, ein kleiner Aufdruck mit ausgefülltem Hakenkreuz, die Aufdrucktype II, ein großer Aufdruck mit ausgefülltem Hakenkreuz, und die Aufdrucktype III, ein mittelgroßer Aufdruck mit Hakenkreuz in Konturlinien. Diese drei Haupttypen zerfallen in folgende Untertypen:

Haupttype I mit drei Untertypen

I.1

Der Punkt nach der „1“ steht tiefer als der Punkt nach dem „X“. Das Hakenkreuz steht senkrecht. Die eingezeichneten Linien ermöglichen eine schnelle Identifikation der Neigung und damit der Untertypen.

 

 

 

I.2

Der Punkt nach der „1“ steht tiefer als der Punkt nach dem „X“. Das Hakenkreuz ist nach links geneigt.

 

 

 

 

I.3

Der Punkt nach der „1“ steht gleich hoch wie der Punkt nach dem „X“. Das Hakenkreuz ist nach rechts geneigt.

 

 

 

 

 

Haupttype II mit zwei Untertypen

II.1

Das Hakenkreuz steht senkrecht. Die Verlängerung der oberen Kante des Mittelbalkens schneidet das „d“ unten.

 

 

 

 

II.2

Das Hakenkreuz ist nach rechts geneigt. Die Verlängerung der oberen Kante des Hakenkreuzes schneidet das „d“ am Halsknick.

 

 

 

 

 

Haupttype III mit zwei Untertypen

III. 1

Das Hakenkreuz steht senkrecht. Die Verlängerung der oberen Kante des Mittelbalkens berührt das „d“ unten.

 

 

 

Reichenberg

Die Industriestadt Reichenberg (Liberec) liegt im nördlichen deutschstämmigen Sudetengebiet nahe der Grenze zu Deutschland und Polen. In Reichenberg kamen vier Überdruckstempel zum Einsatz, die wie folgend unterschieden werden:

I

Das Ausrufezeichen steht direkt unterhalb des „i“ in „sind“, die Verlängerung des rechten Hakenkreuzbalkens berührt den Anstrich des „W“ oben.

 

 

 

 

II

Das Ausrufezeichen steht direkt unterhalb des „i“ in „sind“, die Verlängerung des rechten Hakenkreuzbalkens berührt den Anstrich des „W“ unten. Das Hakenkreuz ist etwas kleiner. Dieser Überdruckstempel wurde meist bei kleinformatigen Marken wie Zeitungsmarken eingesetzt.

 

III

Das Ausrufezeichen steht direkt unterhalb des „i“ in „sind“, das Hakenkreuz ist stark nach links geneigt. Dieser Aufdruck kommt auch mit durch starke Abnützung deformiertem Ausrufezeichen vor.

 

 

 

IV
Bei dieser Stempelvariante steht das Ausrufezeichen zwischen dem „i“ und dem „n“ in „sind“. Die Verlängerung des rechten Hakenkreuzbalkens berührt den Mittelbalken des „W“ oben.
Dieser Stempel ist dem Maffersdorfer Überdruck sehr ähnlich und wird oft mit diesem verwechselt. Auch beim Maffersdorfer Aufdruckt nimmt das Ausrufezeichen die Position zwischen „i“ und „n“ ein, jedoch berührt die Verlängerung des rechten Hakenkreuzbalkens oben den Anstrich und nicht den Mittelbalken des „W“.

 

 

Maffersdorf

Maffersdorf, der Geburtsort Konrad Henleins, war 1938 noch kein Stadtteil von Liberec, sondern eigenständig. In dieser kleinen Gemeinde war nur ein Stempel im Einsatz.

Das Ausrufezeichen steht zwischen dem „i“ und dem „n“ in „sind“. Die Verlängerung des rechten Hakenkreuzbalkens berührt oben den Anstrich des „W“.

Diese Zusammenfassung ist abschließend, weitere amtliche Handstempel gab es nicht. Die Typisierung dieser Handstempel dient auch der korrekten Zuordnung zu den einzelnen Ausgabeorten. Es ist erschreckend, wie manche Auktionshäuser und Händler Aufdrucke verwechseln und private Erinnerungsdrucke als teure amtliche Ausgaben anbieten. Mit dieser Typisierung sollten Falschdeklarierungen
künftig nicht mehr vorkommen.

 

Abschließend werfen wir noch einen Blick auf eine unterschätzte und lange Zeit vernachlässigte Briefmarke: die 50h-Beneschmarke (Urmarke Tschechoslowakei MiNr. 360).

Diese ist interessant, da sie mit zwei unterschiedlichen Druckplatten erstellt wurde. Platte 1 weist ein helles Ohr auf; Platte 2 wurde nachgraviert, so dass das Ohr dunkel wirkt. Beide Plattentypen kommen in allen 7 Sudetenlandgebieten vor.

Das besondere beim Sudetenland ist jedoch, dass durch den sudetendeutschen Überdruck dieser Unterschied nicht immer ersichtlich ist. Marken bei denen die Platte 1 erkennbar ist, sind gesucht und rechtfertigen einen Aufschlag. Preisinformationen liefert der MICHEL-Deutschland-Spezial 2021.

Es bestätigt sich immer wieder: Fachwissen ist auch in der Philatelie von Vorteil.

Wenn Sammler und Schatzsucher die neuralgischen Punkte kennen, wissen sie, auf welche Details
sie achten müssen. Dies ist nicht nur die Voraussetzung, um Schätze zu entdecken, sondern auch der beste Schutz vor Enttäuschung und Verlust.

Autor: Jürgen Kraft