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(tb) 490 Millionen Einfuhrerklärungen erhielten die Zollverwaltungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union allein zwischen Juli und Dezember 2021 für Pakete mit im Versandhandel bestellten Waren. Diese hatten einen Wert von 4,8 Milliarden Euro. Der durchschnittliche Warenwert pro Paket betrug also nicht einmal zehn Euro, verlangte aber nach dem kompletten Aufwand für die Zollbürokatie.

Diese Zahlen nannte eine Gruppe Logistikexperten, von der die EU-Kommission Vorschläge für eine Vereinfachung der Zollsysteme erbeten hatte. Auch eine Vergleichszahl hatten die Kenner der Materie parat: Für klassische Importe in Containern wurden 220 Millionen Erklärungen abgegeben – bei einem gesamten Warenwert von 1,25 Billionen Euro. Betrachtet wurden jeweils nur Einfuhren aus nicht der Europäischen Union angehörenden Staaten, da innerhalb der EU keine Zollerklärungen mehr nötig sind.

Kein Zweifel, die europäische Zollbürokratie zeitigt bemerkenswerte Blüten. Daran ändert auch die heute mehrheitlich genutzte Möglichkeit nichts, die Daten elektronisch zu übermitteln; sie erleichtert zwar den einen oder anderen Arbeitsschritt im Vergleich zur Verwendung klassischer Papierformulare, ändert aber nichts am bürokratischen Aufwand. Doch steht dieser für die große Masse der Sendungen in keinem Verhältnis zum Warenwert. Außerdem können die mit den Paketmassen beschäftigen Zollbeamten nicht zeitgleich jene Sendungen kontrollieren, die den Behörden als riskant bekannt sind. Das öffnet zum einem Betrügern Tür und Tor, die mit falschen Deklarationen geringe Warenwerte vortäuschen, zum anderen jenen Kriminellen, die gefährliche Artikel in die Europäische Union versenden, beispielsweise Unterhaltungselektronik, die unzureichend gegen Kurzschlüsse gesichert ist. Daher regen die Experten an, Sendungen mit unter 150 Euro Warenwert nicht länger von den Zollabgaben zu befreien. Dies schaffe nur einen Anreiz, eine Lieferung auf mehrere kleinere und damit zollfreie Pakete zu verteilen. Stattdessen solle die Europäische Union für Sendungen geringen Wertes vereinfachte Zollabgabensätze schaffen. Dann könnten sich die Zollbeamten wieder verstärkt um das Wesentliche kümmern. Auch die Unternehmen sparen Kosten durch eine verringerte Bürokratie.

Nachteilig an dem Konzept ist allerdings die zu schätzende Höhe der pauschalen Zollabgabensätze. Die Experten nennen zwar keine Zahlen. Doch dürften es die Mitgliedsstaaten wohl kaum akzeptieren, wenn Zollbeamte fünf oder zehn Minuten arbeiten müssen, um schlussendlich zwei oder fünf Euro Zoll einzustreichen. Ein realistischer pauschaler Zollabgabensatz dürfte pro Paket einen zweistelligen Euro-Betrag erreichen. Das würde den Warenaustausch in Branchen deutlich verteuern, in denen die Warenwerte per se niedrig liegen.

Die Zollabgaben dürfen nicht mit der Einfuhrumsatzsteuer verwechselt werden. Diese kommt zum Warenwert plus Zoll hinzu. Deutschland hat die einstige Freigrenze abgeschafft, um außerhalb der Europäischen Union sitzende Versandhändler nicht umsatzsteuerlich gegenüber in der EU tätigen Anbietern zu bevorzugen. Die Zollsätze fallen je nach Warengruppe und Herkunftsland unterschiedlich aus. Ins allgemeine Bewusstsein dringen sie gewöhnlich nur, wenn infolge wirtschaftspolitischer Unstimmigkeiten so genannte Strafzölle erhoben werden.