Drucken

Otto (nach schwäbischer Mundart „Otl“) Aicher kam am 13. Mai 1922 als Sohn eines Handwerkers in Ulm zur Welt und wuchs mit zwei Geschwistern in einem stark religiös geprägten Umfeld auf.

1939 lernte er die Familie Scholl kennen, darunter auch Hans und Sophie Scholl, die späteren Mitglieder der studentischen Widerstandsgruppe Weiße Rose, sowie deren Schwester Inge. Von 1941 bis 1945 war Otto Aicher Soldat und musste mehrere Verhöre durch die Gestapo über sich ergehen lassen.

Nach dem Ende des Krieges nahm er in München an der Akademie der Bildenden Künste das Studium der Bildhauerei auf. Weil er sich jedoch zunehmend für Gebrauchsgrafik und ihre kommunikativen Möglichkeiten interessierte, kehrte er in seine Geburtsstadt zurück und eröffnete 1948 ein eigenes Gestaltungsbüro. 1952 heirateten er und Inge Scholl. Im Jahr darauf gründeten sie zusammen mit dem Schweizer Architekten und Künstler Max Bill die „hochschule für gestaltung ulm“, eine Ausbildungsstätte für Industriedesign, die in der Tradition und Nachfolge des Bauhauses stand.

Otl Aicher wirkte dort bis 1968 als Dozent für Grafik, Fotografie, Typografie und technische Kommunikation. Parallel widmete er sich dem Ausbau der Lehre und der Organisation der Hochschule und amtierte zeitweise als Rektor. 1967 erhielt er den Auftrag, das Erscheinungsbild – die sogenannte „Corporate Identity“ – für die Olympischen Sommerspiele zu gestalten, die 1972 in München ausgetragen werden sollten. Von ihm und seinen Mitarbeitern stammen unter anderem die schwarz-weißen Piktogramme für die einzelnen Sportarten, die noch heute international weit verbreitet sind. Ab 1972 lebte das Ehepaar Aicher in Rotis im Allgäu, wo mehrere Atelierhäuser entstanden. Otl Aicher, der als ambivalente und polarisierende Persönlichkeit beschrieben wurde, starb am 1. September 1991 im Alter von 69 Jahren in Günzburg. Er war ein Pionier des konsequenten Corporate Designs; seine Arbeiten beeinflussen bis heute viele Kommunikations- und Grafikdesigner.

Erstausgabetag: 5. Mai 2022

Neuheitenmeldungen weltweit finden Sie in der MICHEL-Rundschau, der monatlichen Fachzeitschrift für Briefmarkensammler.