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Am 24. September 2022 lächelte die Philatelie uns wieder einmal zu: Die nunmehr 8. Auktion der Versteigerungsreihe „Altdeutsche Staaten – Die Sammlung Erivan Haub“ ging mit insgesamt 295 hoch attraktiven Losen im Auktionshaus Heinrich Köhler in Wiesbaden über die Bühne. Exquisite Stücke aus der Sammlung des verstorbenen Sammlers Erivan Haub, die als eine der bedeutendsten der vergangenen 100 Jahre gilt, kamen zum Ausruf und stießen auf eine ungebrochen hohe Nachfrage bei Bietern aus dem In- und Ausland. In einem weit gespannten Bogen, gespickt mit kleinen und großen Kostbarkeiten, wurde eine bestens orchestrierte Auktion geboten, die ein besonderes Ereignis darstellte.

Die 295 Lose aus dem umfangreichen Nachlass des ehemaligen Tengelmann-Chefs Erivan Haub, die wiederum in einem aufwändig gestalteten Kunstband präsentiert worden waren, wurden bei einem Gesamtausruf von mehr als 1 Million Euro letztlich für über 2 Millionen Euro exklusive Aufgeld versteigert. In einem mehr als 6-stündigen Auktionsgeschehen kämpften die Interessenten um erfolgreiche Zuschläge, die häufig nur nach Geboten um ein Vielfaches des Ausrufpreises zu erreichen waren. Spitzenreiter war ein Brief mit einer Einzelfrankatur der MiNr. 11 von Bayern, der von 100 Euro Ausruf auf 1700 Euro gesteigert wurde.

Das Gesamtergebnis der Auktion beläuft sich auf knapp 2.150.000 Euro, wobei nur 5 Lose mit einem Ausrufpreis von insgesamt knapp 35.000 Euro keinen Käufer fanden – eine selten erreichte Erfolgsquote. Bei der angebotenen Vielfalt von besonderen und aus Sammlungen berühmter Vorbesitzer bekannten Belegen der Altdeutschland-Philatelie fällt eine Auswahl schwer. Vielleicht richten wir unser Augenmerk dieses Mal auf die Zierbriefe Altdeutschlands, die stellvertretend stehen können für eine Auktion, die selbst eine Zierde der Altdeutschland-Philatelie darstellte.

Bestand der Postverkehr vor der Gründung des Deutschen Reiches zum größeren Teil aus Geschäftspost, so stachen doch einige Briefe durch ihre auffällige ornamentale Gestaltung hervor, die heute auf besondere Nachfrage stoßen – die sogenannten Zierbriefe. Filigrane Blatt- und Blumenranken umrahmen sie klassisch oder verspielt; zierliche Darstellungen aus dem Leben der damaligen Zeit machen sie zu „Liebesbriefen“ ganz eigener Prägung.

Zur Versteigerung kam ein tadellos erhaltenes Ziercouvert des Jahres 1855 nach Elgersburg bei Ilmenau mit goldfarbenen Rosenranken, frankiert mit der 9-Kreuzer-Marke MiNr. 4 b. Hinzu kommt der sauber aufgesetzte 5-Ring-Stempel mit der Nummer 57 und der Rahmenstempel von Heidelberg, außerdem Durchgangs- und Ankunftsstempel. Bei einem Ausruf von 1000 Euro erzielte der Brief einen Zuschlag von 3400 Euro.

 

Reich verziert ist auch ein kleines Briefcouvert von 1844 nach Anspach mit schwarz und golden gedruckten Biedermeiermotiven und Blumenranken.

Die Darstellungen reichen von der Fahrt mit dem Einspänner über den Ausflug im Boot bis hin zum verschwiegenen Treffen zweier Liebenden und dem trauten Zusammensein der jungen Familie.

Das Ziercouvert trägt außerdem den Rahmenstempel von Oldenburg mit Datum vom 11. Juni 44 sowie den nebengesetzten FRANCO-Stempel mit rückseitigem Durchgangsstempel des Thurn&Taxis-Postamtes von Bremen mit Ankunftsstempel.

Auch dieser Brief erreichte 3400 Euro, allerdings bei einem Ausruf von nur 300 Euro.

Für 500 Euro angeboten und zugeschlagen für 650 Euro wurde ein Schmuckcouvert im zierlichen Damenformat mit ausgesprochen attraktiven schwarzoliv gedruckten Laubranken. Den umseitig abgebildeten Beleg ziert ein waagerechtes Paar der 1-Silbergroschen-Marke MiNr. 6 a von Preußen, farbfrisch und voll- bis breitrandig mit sauber aufgesetztem 4-Ring-Nummernstempel 1160 und nebengesetztem Doppelkreisstempel von Prausnitz.

 

Den Reigen der hier vorgestellten Zierbriefe beschließen zwei Belege aus Sachsen mit schönen Blumengebinden in Blau und Rot. Sie tragen die Marken Sachsen MiNr. 3 a und 4 II a in Schwarz und liegen in einwandfreier Erhaltung vor.

Der blau bedruckte Zierbrief wurde als Stadtpost innerhalb Leipzigs befördert, der rote lief von Hirschfelde nach Meißen. Beide wurden mit 500 Euro ausgerufen und steigerten sich auf 1150 bzw. 2900 Euro.

Dieter Michelson, geschäftsführender Gesellschafter bei Heinrich Köhler, freute sich über die Begeisterung am Auktionstag: „Die Versteigerungen der Sammlung Erivan beleben den internationalen Philatelie-Markt. Das zeigen die Zahlen der Besuche bei den Auktionen. Darüber hinaus rücken die Versteigerungen das Hobby Briefmarkensammeln für Menschen, die noch keine Berührungspunkte mit der Philatelie hatten, in ein ganz neues Licht. Wir erleben derzeit eine regelrechte Renaissance für die Philatelie. Viele neue Sammler suchen uns auf, um ihre Sammlungen bewerten zu lassen.“

Neben den Zierbriefen zeigte sich eine besonders große Nachfrage und hoher finanzieller Einsatz bei der Versteigerung der Lose in der Rubrik „Juwelen der Philatelie“, ebenfalls Zierstücke, die häufig erst nach Generationen wieder auf dem Markt erscheinen bei bekannter Dokumentation.

Eine sogenannte Bayernbrücke, die in dieser Verwendung anderweitig nicht bekannt ist und bislang im MICHEL ohne Bewertung bleiben musste, wurde für 30.000 Euro ausgerufen und spektakulär erst bei 130.000 Euro zugeschlagen. Den Grund für den Erfolg sieht Karl Louis, ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter des Auktionshauses Heinrich Köhler, in der Seltenheit des Briefes: „Der Brief wurde unter anderem mit zwei Marken im waagerechten Zwischensteg, einer sogenannten ‚Brücke‘, frankiert. Dieser Zwischenraum wurde vom Postbeamten meist zerschnitten und blieb nur in ganz wenigen Fällen erhalten.“

Im begleitenden Prüfattest heißt es ergänzend: Allseits voll-, meist breitrandig geschnitten. Die farbfrischen, ursprünglich haftenden Marken sind feinst und tadellos erhalten, nicht repariert. Der Name des Adressaten wurde teilweise überschrieben. Portorichtig frankierter Brief für die 2. Gewichtsstufe. Weitere 6 Kreuzer Chargégebühr mussten vom Absender bar entrichtet werden. Bei der Vorlage handelt es sich um eine große Bayern-Seltenheit. Bisher ist mir kein weiteres gebrauchtes Zwischenstegpaar der 6 Kreuzer ultramarin bekannt.

Auch Briefe in die Ferne aus der damaligen Zeit sind gefragt, besonders dann, wenn weitere Besonderheiten hinzukommen, wie im aktuellen Fall die größte bekannte Mehrfachfrankatur auf einem Brief von Hamburg nach New York aus dem Jahr 1859 aus dem früheren Besitz berühmter Sammler.

Der Beleg zierte die Kollektionen Rothschild, Caspary und Boker. Zugeschlagen wurde er für 180.000 Euro.

Als Glück ist es zu werten, wenn verlorengegangene „Königskinder“ nach Jahrzehnten wieder zusammenfinden, wie bei einer Drucksachenschleife aus dem großherzoglichen oldenburgischen Varel nach St. Pölten in Österreich. Wegen der weitgestaffelten Platzierung der Marken war die Einheit wohl aufgetrennt worden, nun aber als postalisch korrekter Beleg komplettiert worden. Damit handelt es sich um die einzig bekannte Doppel-Frankatur der prominenten Marke Oldenburg MiNr. 5 und zweifellos um eines der spektakulärsten Stücke der Oldenburg-Philatelie.Trotz aller Gebrauchsspuren ein sehr nachgefragter Beleg, der schließlich für 95.000 Euro zugeschlagen wurde.

Einer der besonderen Höhepunkte war indes die Versteigerung der sogenannten „Supereinheiten“ Oldenburgs. Die Sechserblocks und Sechserstreifen der Marken Oldenburg MiNr. 9 bis 14, die in der philatelistischen Dokumentation seit 1908 nachgewiesen sind, wurden zu einem Startpreis von 250.000 Euro ausgerufen. Nach einer kurzen verhaltenen Pause, die bis zur Bestätigung des ungewöhnlich hohen Ausrufpreises währte, steigerten sich die Gebote; bei 290.000 Euro fiel der Auktionshammer. Rauschender Beifall brach aus und beschloss diesen Höhepunkt der 8. Altdeutschland-Auktion von Erivan Haub.

Die Auktion von Material aus dem weltberühmten Bestand von Erivan Haub war wiederum ein voller Erfolg und eine Bereicherung der Philatelie. Viele Bieter warteten jahrzehntelang darauf, eine Chance zu bekommen, um ihre Sammlung zu komplettieren. Am 24. September hatten sie die Gelegenheit dazu. „Selbst erfahrene Bieter fiebern wochenlang auf die Auktionen der Sammlung Erivan hin. Denn einige Stücke kommen zum ersten Mal seit über 50 Jahren wieder auf den Markt. Das ist schon etwas ganz Besonderes“, erklärt Karl Louis. Doch auch für Sammler, die sich in keiner derartigen finanziellen Freiheit bewegen können, bietet der Auktionsreigen eine Bereicherung und trägt zum kulturhistorischen Erhalt bei.

Das philatelistische Feuerwerk der 8. Erivan-Haub-Auktion ist erloschen, doch eine Fortsetzung ist bereits angekündigt – wir sind alle gespannt, welch „Pulver“ dann gezündet wird.

Abbildungen:

Los 31: Einzelfrankatur der Bayern MiNr. 11 auf Brief, Ausruf 100 €, Zuschlag 1700 €, Provenienz: John Boker jr. (1985)

Los 7: Zierbrief mit Baden MiNr. 4 b, Ausruf 1000 €, Zuschlag 3400 €

Los 120: Ziercouvert mit Biedermeiermotiven und Blumenranken, Ausruf 300 €, Zuschlag 3400 €

Los 259: Zierbrief mit Sachsen MiNr. 3 a, Ausruf 500 €, Zuschlag 1150 €

Los 30: Einschreibebrief mit Zwischenstegpaar der Bayern MiNr. 11 ZW, Ausruf 30.000 €, Zuschlag 130.000 €, Provenienz: 17. Müller-Auktion (Basel 1958), John Boker jr. (1985)

Los 83: Brief mit 4 Einzelwerten der Marke Hamburg MiNr. 7, Ausruf 60.000 €, Zuschlag 180.000 €, Provenienz: Sammlung Rothschild (Auktion Harmer, 1939), Alfred Caspary (H. R. Harmer, 1958), John Boker jr. (1988)

Los 135: Einheiten von Oldenburg MiNr. 9 bis 14, Ausruf 250.000 €, Zuschlag 290.000 €, Provenienz: Georg Koch (Gilbert & Köhler-Auktion, 1908), Alfred H. Caspary (H.R. Harmer-Auktion, 1956), John Boker jr. (1988)