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(tb) Mit Forderungen an die Politik beantwortet die Deutsche Post die wachsende Kritik an der Beförderungs- und Zustellqualität. Vor allem bei der zuständigen Bundesnetzagentur, aber auch gegenüber Abgeordneten, Zeitungsredaktionen und anderen Multiplikatoren beklagt eine zunehmende Zahl Bürger, dass Briefsendungen über Gebühr lange unterwegs seien und die Briefpost oftmals nur an wenigen Tagen die Woche zugestellt werde.

Die Deutsche Post räumt zwar erhebliche Probleme ein, führt diese aber aktuell vor allem auf einen hohen Krankenstand infolge der Coronainfektionen zurück. Allgemein seien nur zwei Prozent der Stellen unbesetzt, erklärte Nikola Hagleitner gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das wäre ein in der Wirtschaft nicht unüblicher Stand, der unter anderem die natürliche Fluktuation spiegelt. Die für Post und Paket Deutschland zuständige Vorständin verweist aber darauf, dass an einigen Standorten bis zu 30 Prozent der Beschäftigten ausgefallen seien.

Doch entwickelte sich die Zustellqualität spätestens seit dem Frühjahr dieses Jahres negativ, also zu Zeiten, als vor einer neuerlichen Coronawelle zwar gewarnt wurde, sie aber noch nicht bestand. Post- Chef Frank Appel sieht denn auch das Grundproblem anderswo. Er verlangt von der Politik, die Vorgaben für den Universaldienst zu verringern. Konkret kritisiert er die Laufzeitvorgaben, nach denen mindestens 80 Prozent der von Privatkunden und kleinen Gewerbetreibenden aufgelieferten Sendungen am Tag nach der Aufgabe im Briefkasten oder in der Postfiliale zugestellt werden müssen. Diese Vorgabe zwinge die Post, ein teures Beförderungs- und Zustellnetz aufrechtzuerhalten. Das sei in Zeiten, in denen mehr und mehr Bürger digitale Kommunikationsmittel nutzen, nicht mehr zu heutigen Preisen zu leisten.

Die einstige Forderung, den sechsten Zustelltag abzuschaffen, wiederholte er dagegen nicht mehr; auch in den Führungsetagen scheint aufgefallen zu sein, dass sowohl die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften als auch die Verbundzustellung von Briefen und Paketen durch denselben Zusteller einer Streichung beispielsweise des Montags im Wege steht. Die drastische Steigerung der Briefentgelte seit 2013 – 2012 kostete der Standardbrief im Inland noch 55, inzwischen 85 Cent, das entspricht einem Plus von 54,5 Prozent binnen zehn Jahren – erachtet Appel als unzureichend. Er fordert von der Politik mehr Flexibilität, um die Entgelte weiter anheben zu können, und verweist auf die seit 2021 bestehende vergleichsweise hohe Geldentwertung. Die derzeit geltenden Portosätze sind bis Ende 2024 festgeschrieben.

Sieht man von plötzlich auftretenden Ereignissen einmal ab, dürfte die Lösung der Probleme nur darin liegen, mehr Personal zu beschäftigen und dieses intensiver zu schulen. Manche Vorgehensweise der Post-Mitarbeiter führt schlichtweg zu überflüssiger Mehrarbeit, beispielsweise die Befestigung einer Benachrichtigungskarte für „Herrn Eisenbahnstraße 25“ an der Klingelanlage des betreffenden Hauses. Zunächst mussten natürlich die Mieter untereinander klären, wer der Empfänger sein könnte, danach ein Mitarbeiter in der Postfiliale die Sendung heraussuchen, die Nummer auf der Benachrichtigungskarte mit dem Aufkleber auf der Sendung vergleichen und schließlich die Identität des Abholers prüfen. Glücklicherweise war er – erkennbar ein Mann mit Migrationshintergrund – besser geschult als die örtlichen Zusteller, die zumindest der Mundart nach aus der Gegend stammen. Dennoch kostete die Abholung einige Zeit.

Geraume Zeit verbrachte ein Paket aus Berlin in zwei Paketzentren. Aufgegeben am 27. Juli verblieb es bis zum 11. August in Ludwigsfelde südlich Berlins. Am 13. August langte es dann in Eutingen im Gäu ein, um schließlich am 18. August den Zustellversuch zu erleben. Tags drauf erfolgte die Abholung in der Filiale. Man möchte lieber nicht wissen, wieviel Zeit Post-Mitarbeiter mit dieser einen Sendung verbracht haben. Eher Belustigung rief derweil eine Benachrichtigungskarte vom 31. Oktober wach, die zur Abholung vom Folgetag, neun Uhr an aufforderte – Allerheiligen ist in Baden-Württemberg ein gesetzlicher Feiertag. Diese Beispiele zeigen, dass die Probleme nicht allein auf einen hohen Krankenstand zurückzuführen sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Bundesnetzagentur steht der wachsenden Zahl Beschwerden allerdings weitgehend hilflos gegenüber. Ihr fehlen Möglichkeiten, das Fehlverhalten der Deutschen Post zu sanktionieren. Daher forderte der Präsident der Regulierungsbehörde, Klaus Müller, in der bevorstehenden Reform des Postgesetzes einen klaren Katalog von Strafen aufzunehmen, wenn ein Postdienst gegen die Vorgaben verstößt. Einen konkreten Vorschlag unterbreitete dazu indirekt Claas Tatje in der Wochenzeitung Die Zeit: „Für schlechte Leistung kann es kein leicht verdientes Geld geben“, kommentierte er. „Es ist daher höchste Zeit für eine von der Bundesnetzagentur verordnete Portosenkung um mindestens fünf Cent.“ Derzeit gibt es dafür zwar keine rechtliche Möglichkeit, doch kann der Gesetzgeber eine solche schaffen.

Niemand sollte dagegen hoffen, dass die Deutsche Post von allein Maßnahmen zur Verbesserung der Beförderungs- und Zustellqualität ergreift. Wenn im kommenden Jahr Frank Appel in den Ruhestand tritt, übernimmt Tobias Meyer den Vorsitz im Vorstand. Meyer war bis Ende Juni für die Brief- und Paketbeförderung in Deutschland zuständiger Vorstand. Sein Erbe muss Nikola Hageleiter nunmehr bewältigen. Dass Meyer als künftiger Vorstandsvorsitzender eine Kehrtwende und seine Politik als Fachvorstand rückgängig macht, erwartet wohl niemand.