Liebe MICHEL-Redaktion,

bei einer Auktion habe ich „auf Verdacht“ und sehr günstig die sogenannten „Blockademarken“ aus Berlin erworben, für die kaum jemand Interesse zeigte. Eine aufschlussreiche Beschreibung war beigefügt:

„Nach der Blockade 1948/49 bereitete sich Berlin auf einen neuen Ernstfall vor. Im Rahmen der „Berliner Stadtreserve“ wurden für Postpakete Zulassungsmarken in einem Markenheftchen hergestellt.

Im Blockadefall wären nur Pakete mit diesen Zulassungsmarken befördert worden, wobei die A-Marken für ausgehende, die E-Marken für eingehende Pakete gedacht waren. Damit sollte die Transportkapazität blockadebrechender Flugzeuge gerecht verteilt werden. Das Blockade- Markenheftchen enthielt je 6 E- und A-Marken und wurde von der Bundesdruckerei auf Papier mit dem alten Wasserzeichen „Kreuzblüten“ hergestellt, das nur bis 1952 verwendet wurde. Jedes Heftchen erhielt eine individuelle Seriennummer und lagerte bis heute in den Tresoren des Berliner Senats. Die Ereignisse um die deutsche Wiedervereinigung haben auch dieses Geheimnis gelüftet. Allerdings war ein großer Teil der Auflage jahrzehntelang in Ölpapier verpackt und ist unbrauchbar geworden. Daher sind die Bestände an Qualitätsmaterial des Blockade-Heftchens im Vergleich zur Millionenzahl der Sammler winzig.“

Der Zustand der Marken ist einwandfrei. Im MICHEL-Deutschland fand ich keinen Hinweis. Mein auf Deutschland spezialisierter Schwager war angetan von meiner Erwerbung, hat diese Marken noch nirgends gesehen und riet mir, mich unbedingt an Sie zu wenden („Dort kann man bestimmt weiterhelfen“). Er meint, es könne sich um eine echte Rarität handeln.

Als langjähriger MICHEL-Kunde bitte ich Sie hiermit um Hilfe. Kennen Sie diese speziellen Marken? Sind sie nach Ihrer Kenntnis anderen Ortes gelistet? Gibt es eine Wert-Notierung, oder können Sie den Wert einschätzen? Über eine Antwort würde ich mich freuen und bedanke mich bereits vorab für Ihre freundliche Mühe.

Mit freundlichen Grüßen aus der Nordsee-Region nach Germering
Hans D.


Sehr geehrter Herr D.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Wie in Ihrem Begleittext dargestellt, wollte man auf eine eventuelle erneute Blockade West-Berlins besser vorbereitet sein als auf die erste – die politischen Spannungen zwischen Ost und West ab 1958, die sogenannte „zweite Berlin-Krise“, die zum Bau der Berliner Mauer 1961 führten, ließen die Befürchtung einer zweiten Blockade durchaus realistisch erscheinen. Der Notfallplan sah neben zahlreichen anderen Programmen auch die Zuteilung von Luftpost-Paket-Zulassungsmarken vor. Jeder Westberliner sollte pro Monat ein Heftchen für den Versand von Luftbrücken-Paketen erhalten, wobei Absendern in der BRD außerhalb Westberlins für eine Eingangssendung erst einmal eine E-Marke geschickt werden hätte müssen. Nach Öffnung der Mauer 1989 war klar, dass kein Bedarf an den Paket-Zulassungsmarken mehr entstehen würde. Ein Großteil der Auflage wurde vernichtet; der Rest jedoch offiziell verkauft. Die Markenheftchen waren über einen Zeitraum von ca. 40 Jahren unverausgabt geblieben.

Diese nicht zur Ausgabe gelangten Marken sind im MICHEL-Deutschland-Standardkatalog nicht gelistet. Sie finden sie aber unter den römischen Nummern I und II bzw. MH PZ I im MICHEL-Deutschland-Spezial nach der Katalogisierung der regulär ausgegebenen Markenheftchen Berlins. Der Preis für ein postfrisches Zulassungsmarken-Heftchen ist derzeit bei 18 Euro angesetzt. Es ist also nicht wirklich eine Rarität, aber auf jeden Fall ein besonderes Stück für eine fortgeschrittene Sammlung, die sich auch für historische Hintergründe interessiert.

Mit freundlichen Grüßen
MICHEL

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