Die Versteigerungsreihe „Altdeutsche Staaten – Die Sammlung Erivan Haub“ wurde im Auktionshaus Heinrich Köhler am 26. März 2022 mit großem Erfolg fortgesetzt. In der nun 7. Auktion stieß eine bunte Palette von besonderen Marken und Briefen aus der herausragenden Sammlung des verstorbenen Sammlers Erivan Haub auf hohe Nachfrage von Sammlern aus dem In- und Ausland. Angeboten wurden 287 Lose aus dem umfangreichen Nachlass bei einem Gesamtausruf von knapp € 600.000, die in einem aufwändig gestalteten Katalog präsentiert wurden. In einem mehr als 6,5-stündigen Auktionsgeschehen kämpften die Interessenten um einen erfolgreichen Zuschlag, der häufig nur nach Geboten um ein Vielfaches des Ausrufpreises zu erreichen war.

Spitzenreiter war dabei eine Ganzsache von Preußen, die von € 200 auf € 10.500 katapultiert wurde.

Eine rege Pressebeteiligung kommentierte die Auktion auch außerhalb der Fachmedien mit Berichten über besonders herausragende Ergebnisse, wie über einen Ersttagsbrief mit den Marken MiNr. 1 a und 4 a von Baden vom 1. Mai 1851, der bei einem Ausruf von € 25.000 auf € 210.000 gesteigert wurde.

Symphonie in Rot

Das Gesamtergebnis dieser Auktion beläuft sich auf etwas mehr als € 2,000.000, wobei nur vier Stücke mit einem Ausrufpreis von insgesamt knapp € 10.000 keinen Käufer fanden, eine selten erreichte Erfolgsquote. Bei der Gesamtschau von herausragenden und besonderen Belegen zur Altdeutschland-Philatelie fällt eine Auswahl schwer, um hier vorgestellt zu werden.

Doch es sei heute einmal versucht, philatelistische Schönheiten hervorzuheben unter dem Blickwinkel „Lady in Red“ – wer erinnert sich nicht mit Freude an den weltberühmten Song vom irischen Sänger Chris de Burgh? In der Philatelie hat diese Farbe eine besondere Bedeutung, sei es als Stempelfarbe, aber auch als Markenfarbe selbst.

Sehen Sie nun unter diesem Aspekt nachfolgend einige Beispiele aus der jetzigen Auktion: Die Stempelfarbe in Rot wurde im Postalltag der früheren Zeit zur Kennzeichnung bei Einschreibesendung, also als Charge-Stempel, oder bei der Fahrpost verwendet, nicht aber als Aufgabestempel bei einer Briefsendung.

So sticht die Frankaturentwertung in Rot auf einem Nachsendebrief aus Österreich über das bayerische Neuötting und wieder zurück nach Österreich als große Besonderheit hervor. War der Eingang des Briefes in Neuötting am Vortage rückseitig ordnungsgemäß in Schwarz dokumentiert worden, wurde zur Weiterleitung die zusätzliche Frankatur in Rot mit dem Mühlradstempel 345 und dem Kreissegmentstempel entwertet.

Dieser Umstand und auch die Zweiländer-Frankatur machten diesen Brief zu einem so sehr begehrten Objekt, dass der Ausruf um fast das Sechsfache überboten wurde.

Rote Aufgabestempel sind auch beim Sammelgebiet Preußen etwas Besonderes; in nur zehn Hilfspostämtern wurden in der Zeit 1863/1864 die Marken in Rot entwertet. Man muss schon lange suchen, solche Entwertungen zu finden, besonders dann, wenn es sich um so klare und saubere Abschläge handelt.

Gleich von drei Orten diese roten Stempelabschläge angeboten zu bekommen, ist nicht häufig; die Zuschläge sprechen eine deutliche Sprache, wie begehrt sie bei Spezialisten sind. Bereits in drei früheren Auktionen waren Stempelabschläge in Rot von Christianstadt, Goyatz, Nonnendorf und Pommerzig versteigert worden, so dass wir gespannt sind, ob auch die restlichen drei Orte in den folgenden Versteigerungen präsentiert werden. Mehr zu dieser Palette in Rot finden Sie unter Preußen „Rote Aufgabestempel der Hilfspostämter“ im aktuellen MICHEL-Deutschland-Spezial.

Doch ein ganz besonders exquisiter Beleg einer „Lady in Red“ ist der Brief aus Gammertingen vom 11. Juli 1852, auf dem die Frankatur eines Dreierstreifens der MiNr. 8 von Thurn und Taxis mit dem äußerst seltenen Achtringstempel in Rot zweimal entwertet wurde. Fünf weitere Briefe sind mit einer solchen Abstempelung bekannt, doch selten so klar und deutlich.

Der Brief ging von Gammertingen im Hohenzollernschen Lande an das Oberamt im ca. 20 Kilometer entfernten Straßberg. Der stumme Stempel stellt im Postwesen von Thurn und Taxis eine absolute Besonderheit darf, wurde er als Versuchstempel nur in diesem vergleichsweise kleinen Ort innerhalb von 8 Monaten vereinzelt eingesetzt, nicht jedoch  wie andere Versuchstempel von Thurn und Taxis in den großen Städten Frankfurt und Mainz.

Nicht ganz zutreffend, vielmehr in Rotviolett bildete das Angebot eines Ersttagsbriefs  der Marke Norddeutscher Postbezirk MiNr. 3 einen leuchtenden Schlusspunkt im Reigen der philatelistischen Kostbarkeiten in Rot.

Auf einem kleinen Ortsbrief wurde die Marke mit dem Doppelkreisstempel von Leipzig am ersten Gültigkeitstag entwertet, ein seltenes Stück, für das bislang im MICHEL keine Bewertung angesetzt werden konnte.

Diese 7. Auktion mit Material aus dem weltberühmten Bestand von Erivan Haub war wiederum ein voller Erfolg und eine Bereicherung der Philatelie. Wer einen Blick in die bislang erschienenen, fachlich fundiert gestalteten Auktionskataloge wirft, bekommt  in der Gesamtschau einen tiefen  Einblick in das postalische und philatelistische Geschehen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Marken und Briefe sind erzählte Geschichte vor entwicklungsgeschichtlichem und kulturhistorischem Hintergrund, die sich umso mehr erschließt unter Hinzuziehung ausgewählter Literatur, wofür hier besonders der MICHEL-Deutschland-Spezial empfohlen wird als umfassende Informationsquelle.

Fortsetzung ist bereits angekündigt, noch mehrere Auktionen sind vorgesehen. Wir sind alle gespannt, welche weiteren Prunkstücke der Altdeutschland-Philatelie dann präsentiert werden.

 

Abbildungen

Abbildung 1: Los 193; Oktogon-Umschlag 4 Silbergroschen braun im Kleinformat; BERLIN POST-EXP 8/ 7 9 64; AFFRANCHISEMENT INSUFFISANTE
Ausruf € 200, Zuschlag: € 10.500

Abbildungen 2 und 3: Los 19; Bayern MiNr. 10 a und Österreich MiNr. 33; HALL IN TYROL 14/6 und NEU-OETTING 17/8
Ausruf € 8000, Zuschlag € 46.000

Abbildung 4: Los 264; Thurn und Taxis MiNr. 8; GAMMERTINGEN 11 JUL 1852
Ausruf € 25.000, Zuschlag € 105.000

Abbildung 5: Los 275; Norddeutscher Postbezirk MiNr. 3; LEIPZIH P.E.No. 2  1 JAN 1868
Ausruf € 400, Zuschlag € 1100

Einen umfassenderen Nachbericht dieser außergewöhnlichen Versteigerung lesen Sie auch in der MICHEL-Rundschau, der monatlichen Fachzeitschrift der Philatelie.