Die Welt steht kopf – zumindest für eine Weile in der Philatelie. Am 25. März 2023 trafen sich Liebhaber und Kenner der klassischen Philatelie aus dem Inund Ausland beim Auktionshaus Heinrich Köhler in Wiesbaden zur 9. Auktion der Sammlung „Altdeutsche Staaten“ des 2018 verstorbenen Sammlers Erivan Haub.

Wiederum wurden exquisite Stücke aus der einzigartigen, weltbekannten Sammlung präsentiert. Der aufwändig gestaltete Auktionskatalog offerierte dieses Mal 307 Positionen mit einem Gesamtausruf von knapp 900.000 Euro. Die Stücke sind der Fachwelt weitgehend bekannt und in der Fachliteratur dokumentiert, waren aber seit Jahren nicht mehr auf dem Markt verfügbar.

In Folge kam es zu heftigen Bietergefechten mit zum Teil exorbitanten Steigerungen. Nach sieben Stunden intensiven Auktionsgeschehens wurde ein Gesamtergebnis von mehr als 2.520.000 Euro erzielt, mehr als das 2,8-fache der Startpreise; nur sieben Lose blieben liegen.

Warum stand die Fachwelt kopf? Nun, um einen von insgesamt nur drei bekannten kopfstehenden Schwarzen Einsern im angebotenen Zwölferblock richtig zu sehen! Diese Kostbarkeit ist seit Generationen ein bekanntes Paradestück und schmückte über eine lange Zeit die Sammlungen berühmter Philatelisten. Dieser Leuchtturm der klassischen deutschen Philatelie wurde als Los 22 mit 200.000 Euro ausgerufen und erst mit 360.000 Euro zugeschlagen. Zu diesem Betrag und allen anderen Erlösen kommen noch die Auktionsgebühren.

Es folgte eine große Vielfalt weiterer Altdeutschland-Raritäten von exquisiter Seltenheit, die zu Höchstpreisen ihre neuen Besitzer fanden. In der Presse und an anderer Stelle wurde darüber berichtet. Exemplarisch genannt werden sollen hier das waagerechte Brücken-Paar von Baden MiNr. 1 a ZW, Los 3 mit Ausruf 50.000 und Zuschlag 210.000 Euro, der berühmte Fehldruck von Lübeck auf Brief MiNr. 3 F mit Ausruf 40.000 und Zuschlag 270.000 Euro und der einmalige Brief von Mecklenburg-Strelitz mit vier Werten der MiNr. 1 b mit Ausruf 80.000 und Zuschlag 440.000 Euro.

Doch gab es auch Angebote, die vom Preis her niedrig angesetzt waren und so dem engagierten Sammler im Normalbereich Möglichkeiten zur Erweiterung der eigenen Sammlung boten. So eine attraktive Zusammenstellung von 10 Stück der Marke MiNr. 3 b von Hannover als vollständige Rekonstruktion des unteren Bogenrands in allen 10 Bogenpositionen. Ebenfalls eine besondere Herausforderung an das Sammeln stellt der Viererblock-Satz der Marken MiNr. 6 bis 8 von Mecklenburg-Schwerin; es bedarf einer intensiven Suche, diese Einheiten zu finden.

Ja, die Welt steht kopf, denn nun geht es nach „Down under“, ins ferne Australien. Neben einem weitgefächerten Angebot von bedeutenden Briefen in überseeische Destinationen bildeten drei Sendungen von Preußen nach Australien eine philatelistische Augenweide. Ihre Seltenheit beruht auf der ohnehin schon geringen Zahl an Postsendungen dorthin, die dann von dort wieder als Sammlerobjekte in das Ursprungsland zurückkehren mussten. Und die Briefe gingen an Personen der damaligen Zeit, deren Lebensleistungen heute noch dokumentiert sind.

Der hier gezeigte Brief ging von Liegnitz im heutigen Polen am 9. Oktober 1860 an den Lehrer und Missionar Gustav Julius Rechner, geboren am 29. Dezember 1830 in Liegnitz, im Januar 1849 nach Australien ausgewandert, dort Gründer und Leiter einer Pfarrgemeinde in Light Pass ungefähr 90 Kilometer nordöstlich von Adelaide. Er lebte hier mit seiner Familie bis zu seinem Tode im August 1900. Nach knapp zwei Monaten und gut 15.100 Kilometern Luftlinie erreichte der Brief, wie rückseitig vermerkt, sein Ziel am 15. Dezember 1860.

Der zweite hier gezeigte Brief wurde im hessischen Oestrich am Rhein am 21. Dezember 1867 aufgegeben und erreichte seinen Bestimmungsort Bowenfels, Neusüdwales, ca. 150 km nordwestlich von Sydney gelegen, am 4. März 1868. Hierbei handelt es sich um den einzig bekannten Brief nach Australien mit Marken von Preußen in Gulden-Währung, die gerade 10 Tage vor Ende ihrer Postgültigkeit hier verklebt wurden.

Mit ca. 16.400 Kilometern Luftlinie auf dem Seeweg um das Kap der Guten Hoffnung befördert – der Suez-Kanal wurde erst ein Jahr später eröffnet – und mit über 23.000 km Wegstrecke, war das eine enorme Transportleistung im Postverkehr der damaligen Zeit.

Den Reigen der Seltenheiten der Altdeutschland-Philatelie beschließt ein kleiner „Sechserblock“ von Thurn und Taxis.

Die Marke ist ein Ausnahmestück in tadelloser Erhaltung mit Teilen aller fünf benachbarten Marken. Wäre es kein Stück vom Bogenrand, dann wären auch dort die Nachbarmarken in kleinen Teilen sichtbar gewesen als unschlagbarer „Neunerblock“. Bei den geringen Abständen der Marken untereinander im Bogen sind bereits allseits vollrandige Stücke sehr selten, so aber ist dieses Briefstück ein „non plus ultra“. Der Zuschlag von 1150 Euro macht ihren Stellenwert deutlich, wenn die Marke in handelsüblicher, durchschnittlicher Erhaltung mit nur 30 Euro notiert ist.

Diese 9. Auktion von Material aus dem weltberühmten Bestand von Erivan Haub war wiederum ein voller Erfolg und eine Bereicherung der Philatelie. Die Beschäftigung mit diesem Teil der Postgeschichte, besonders mit den Briefen nach überseeischen Destinationen, bedeutet einen wichtigen Rückblick auf kulturhistorische Gegebenheiten von hohem Wert und stellt eine Bereicherung auch im ideellen Sinne dar. Also schlussendlich: Philatelie ist eine Bereicherung des Lebens und bedarf der Bewahrung und Förderung.

Nach Informationen des Auktionshauses soll eine 10. Auktion mit Altdeutschland-Material einen fulminanten Schlussakkord bilden; wir sind alle gespannt und folgen dem Motto, unter dem dieser Auktionsreigen steht: „Sammler sind glückliche Menschen“!

Abbildung 1: Bayern MiNr. 1, senkrechter Zwölferblock mit diversen Plattenfehlern, dabei die zehnte Marke kopfstehend als sogenanntes „tête-bêche“ MiNr. 1 I K, Los 22, Ausruf 200.000 Euro, Zuschlag 360.000 Euro

Abbildung 2: Preußen, zwei Paare MiNr. 12 a, Los 185, Ausruf 3000 Euro, Zuschlag 8000 Euro.

Abbildung 3: Preußen, MiNr. 25 a und 3 Stück MiNr. 26 a, Los 203, Ausruf 2000 Euro, Zuschlag 9000 Euro

Abbildung 4: Thurn und Taxis MiNr. 3 b, Los 252, Ausruf 300 Euro, Zuschlag 1150 Euro.