(tb) Der Blick in den MICHEL hilft bei der Ermittlung der Auflagezahlen ungemein.

Zugegeben, der Satz ist geklaut und leicht variiert. In seiner Ursprungsform bekommen ihn Jura-Studenten gewöhnlich gleich im ersten Semester zu hören. Er lautet, zumindest in der Fassung des unvergessenen Dr. Nikolaus Ley, der den Betriebswirtschaftslehre studierenden Autor dieser Zeilen seinerzeit ins Recht einführte: Der Blick ins Gesetzbuch hilft bei der Rechtsfindung ungemein.

In den Sinn kam der Satz, als jüngst eine Pressemitteilung eintraf. Darin gab die Deutsche Post am 23. Mai bekannt, dass seit Einführung der Briefmarken mit Matrixcode mehr als eine Milliarde Exemplare verkauft worden sei. Gewiss eine stolze Zahl, doch schaut man genau hin, dann stellt man rasch fest, dass sie lediglich den Normalfall spiegelt.

Prüfen wir also die Auflagezahlen, die der MICHEL-Deutschland-Spezial ausweist. Von Interesse sind dabei weniger die inzwischen eher geringen Auflagen der nassklebenden Sondermarken, auch nicht unbedingt die Auflagen der Zuschlagsmarken. Die meisten Kunden an den Postschaltern wünschen zum einen „schöne Marken“, zum anderen Selbstklebende. Mit den selbstklebenden Sondermarken macht die Deutsche Post diesen Kunden ein in der Regel attraktives Angebot. Folglich erreichen die selbstklebenden Sondermarken inzwischen Auflagen, die sie als heimliche Freimarken erscheinen lassen.

Bis zum Jahrgang 2018 sind die Auflagen der Folienblätter, Heftchen und Rollen mit selbstklebenden Sondermarken durchgehend bekannt. Addiert man sie, dann stellt man fest, dass die Deutsche Post Jahr für Jahr mehr als eine Milliarde selbstklebender Sondermarken verkauft hat, zum Beispiel

  • 2016: 1.238.480.800 Stück
  • 2017: 1.544.565.000 Stück
  • 2018: 1.353.128.900 Stück

Natürlich bedeutet dies nicht, dass die in den drei Jahren ausgegebenen Marken noch im selben Jahr in diesen Stückzahlen verkauft wurden. Der Verkauf läuft Zug um Zug, je nach Ausgabeprogramm und Kundeninteresse. Da aber auch in den Jahren zuvor fast immer – in einem Jahr lag die Auflage knapp unter einer Milliarde Stück – mehr als eine Milliarde selbstklebender Sondermarken über die Schaltertresen gingen, kann man festhalten, dass diese Stückzahl die üblicherweise in einem Jahr verkaufte darstellt.

2021 erschienen mit Ausnahme der Ausgabe „Deutschland von oben: Wohnsiedlung in Lübeck“, MICHEL-Nummer FB 103, sämtliche selbstklebenden Sondermarken mit Matrixcode. Dazu gehörten zahlreiche Ausgaben, die man angesichts ihrer Motive als beim Publikum beliebt einstufen darf, beispielsweise „Die Sendung mit der Maus“, MICHEL-Nummer FB 105, „Himmelsereignisse“, MICHEL-Nummer FB 107, und „Tierbabys“, MICHEL-Nummer FB 109. Schon angesichts dessen wäre es sehr erstaunlich, läge die zusammengezählte Gesamtauflage unter einer Milliarde Stück.

Hinzu kämen noch die nassklebenden Sondermarken mit Matrixcode sowie die nass- und selbstklebenden Freimarken der neuen Serie „Welt der Briefe“. Da die Deutsche Post ihre Pressemitteilung in der zweiten Mai-Hälfte versandte, könnte man sogar noch die eine oder andere Ausgabe von 2022 hinzurechnen, doch ist das wohl kaum nötig.

Somit bleibt von der Pressemitteilung eigentlich nur eines übrig: der Hinweis, dass Marken mit abgetrenntem Matrixcode ungültig sind. Philatelisten wissen dies natürlich, würden auch nicht auf die Idee kommen, einen Teil der Marke abzureißen. Im Postalltag scheint aber der eine oder andere Kunde tatsächlich den Matrixcode als vermeintlich nicht zur Marke gehörend abgerissen zu haben.