Liebe MICHEL-Redaktion,

dürfte ich mich mit einigen Fragen zur Stempelklassifizierung im MICHEL an Sie wenden? Ich schreibe derzeit etwas über das Sammeln gestempelter Marken und dass dies gar nicht so einfach ist.

Es geht insbesondere um folgende Fragen: Was genau bedeutet „Ort und Datum identifizierbar“? Bedeutet dies, dass man den Ort erschließen können muss, oder muss der Stempelabschlag den gesamten Ort beinhalten? Müssen beim Datum Tag, Monat und Jahr ersichtlich sein oder reichen Monat und Jahr?

Hier einige Beispiele, die meine Fragen konkretisieren sollen:

Einige Briefzentrumsstempel sind ja fast zu 100% auf der Marke, allerdings ist die BZ-Nummer nicht ersichtlich. Ist das qualitätsmindernd? Bei dem 200-Pf-Wert „Frauen“ kann es sich nur um Wolfratshausen handeln. Gilt das als identifizierbar? Bei dem 240-Pf-Wert „Frauen“ ist der Ort teilweise erkennbar; ich vermute danach kommt Hessen. Aber anhand der vollständigen PLZ könnte man den richtigen Ort recherchieren. Bedeutet dies ebenfalls „identifizierbar“? Gibt es andere Anforderungen an kleinformatige Marken als an großformatige?

Im MICHEL gibt es keinen Hinweis auf die aufgedruckten Klischee-Versandstellenstempel (Vollstempel FFM, Weiden oder Postphilatelie). Dies sind ja ideale Stempelabschläge hinsichtlich Klarheit, Zentrik und Vollsändigkeit auf der Marke. Erfüllen diese Stempel also die höchsten Qualitätsanforderungen und es ist dem Sammler überlassen, inwiefern er diese „philatelistischen Produkte“ als vollwertig ansieht? Wie sieht es mit aufgedruckten Sonderstempeln der Versandstelle aus? Ist ein geringer Wellenandruck oder Werbeandruck bei einer Vollstempelung schädlich für die Preisnotierung?

Mit freundlichen Grüßen
Thomas S.


Sehr geehrter Herr S.,

Stempel sind seit ca. 150 Jahren zunehmend genormt, das heißt besonders, dass sie eine bestimmte Größe (Durchmesser) haben. Oft passen Stempel und Briefmarken größenmäßig zusammen; dann ist es möglich, dass zentrisch auf der Briefmarke abgeschlagene Stempel auch fast oder ganz vollständig auf einer Marke sind. Bei den Freimarken der Bundesrepublik Deutschland ist dies aber die Ausnahme, wie Ihre Beispiele zeigen. Besonders fällt dies natürlich bei den Stempeln von Briefzentren auf, bei denen oft die Nummer des Briefzentrums fehlt.

Aber die von Ihnen gezeigten kleinformatigen Marken haben alle Stempel, die man getrost als vollwertig ansehen kann. Sie sind klar, zeigen meist das vollständige Datum und nennen oft auch den Ort. Mehr kann man nicht erwarten, da die Stempel einfach zu groß sind, um auf die Marke zu passen. Daher sind „Luxusstempel“ bei diesen Marken bestenfalls bei Versandstellenmarken mit zentrisch aufgedrucktem Stempel möglich oder wenn man die Marken als Briefstück sammelt.

Ein Ortsstempel ist dann bestimmbar, wenn man den Ort eindeutig erkennen kann, sei es, weil der Ortsname vollständig zu lesen ist, oder weil eine erkennbare Buchstabenkombination nur einem einzigen Ort zugeordnet werden kann. Dabei darf man durchaus auch die Postleitzahl zu Hilfe nehmen und in der Literatur nachschlagen, die ja auch für diesen Zweck geschaffen wurde. Wenn man erst recherchieren muss, was ja auch Spaß macht, kann der Stempel kein „Luxusstempel“ sein, aber vollwertig und sammelwürdig ist er allemal.

Die aufgedruckten Stempel der Vesandstellen erfüllen alle Qualitätsanforderungen. Es spricht nichts dagegen, solche Stücke in die Sammlung aufzunehmen, allerdings sollte man eine Sammlung nicht ausschließlich mit solchen gestempelten Marken bestücken, weil das einen etwas eintönigen Eindruck macht. Man muss jedoch darauf hinweisen, dass solche Stücke vor ca. 20 Jahren einige Zeit sehr gesucht waren, besonders wenn sie noch die originale Gummierung hatten.

Sonderstempel, und auch Werbestempel, werden meistens auf dem ganzen Beleg oder zumindest als Briefstück gesammelt, da hier Bild und Text die entscheidende Rolle spielen. In diesen Fällen kann der Stempel bedeutsamer sein als die Marke, die er entwertet.

Einige Briefmarken sind heute so groß, dass es nahezu unvermeidbar ist, dass neben dem Stempelkopf bei maschineller Entwertung noch ein Stück der Fahne auf der Marke landet. Da dies dem Postalltag entspricht, ist es bei einem klaren Abschlag vollwertig. Die gleiche Marke mit einem ebenso klaren Handstempel ist aber erstrebenswerter.

Am besten ist es, wenn Datum und gegebenenfalls Uhrzeit auf der Marke zu lesen sind. Diese Angaben dienen dazu, eine zeitgerechte Verwendung der Briefmarke zu dokumentieren, besonders aber, um festzustellen, ob die Marke innerhalb der Gültigkeitszeit verwendet wurde. Da die meisten Briefmarken zu einem Monatsende oder zum Jahreswechsel ungültig wurden, ist die Lesbarkeit von Monat und Jahr besonders wichtig. Auch hier gilt: die Mindestanforderungen müssen erfüllt sein, was darüber hinausgeht, ist erstrebenswert.

Die Bedeutung lesbarer und möglichst vollständiger Stempel zeigt sich, wenn es um die Echtheitsprüfung des Stempels geht. Gerade in den deutschen Sammelgebieten gibt es viele Briefmarken, die gestempelt teurer sind als ungestempelt, was die Fälscher anzieht. Das betrifft nicht nur vollständig gefälschte Stempel, sondern auch Abstempelungen mit rückdatierten echten Stempeln. Prüfer können solche Rückdatierungen auch an Abnutzungserscheinungen am Stempel feststellen, wozu aber das entscheidende Stück des Stempels auch auf der Briefmarke sein muss. Deshalb ist es sinnvoll, möglichst Briefmarken mit Vollstempeln zu sammeln. Das betrifft auch die gegenwärtigen Briefmarken, denn wie das Beispiel der Umstellung auf den Euro gezeigt hat, können auch „unbeschränkt gültige“ Briefmarken schnell ihre Gültigkeit verlieren.

Mit freundlichen Grüßen
MICHEL

Alle interessanten Leseranfragen und -Hinweise lesen Sie auch in der monatlich erscheinenden MICHEL-Rundschau.