(tb) Eine Zahl wirft Fragen auf. Im Zusammenhang mit den Gerüchten um eine Zuschlagsmarke zugunsten der Hochwasseropfer in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfahlen hatten wir den für die Philatelie zuständigen Pressesprecher im Bundesministerium der Finanzen, Nodjinan Nimindé-Dundadengar, mit folgender Aussage zitiert: „Allerdings haben wir von dieser Idee zunächst abgesehen, da die letzte Plus-Marke ‚Hochwasserhilfe‘ 2013 einen Erlös in Höhe von circa einer Million Euro erbrachte. Im Vergleich zu den beabsichtigten zusätzlichen Haushaltsansätzen erscheinen mögliche Erlöse aus einer Plus-Marke derzeit entbehrlich.“

Circa eine Million Euro Erlös klingen auch dann recht wenig, wenn man berücksichtigt, dass sich die Deutsche Post zusätzlich für den Verkauf von Zuschlagsmarken entstehende Kosten erstatten lassen kann.

Die 2013 aufgelegte Zuschlagsmarke hatte nämlich den Nennwert 58 plus 42 Cent, MICHEL-Nummer 3022. Das bedeutet angesichts der im MICHEL genannten Auflage von acht Millionen Stück Reineinnahmen aus dem Zuschlag in Höhe von 3,36 Millionen Euro. Die Differenz zum von Nimindé-Dundadengar genannten Erlös fällt also recht deftig aus.

Doch sind die 3,36 Millionen Euro nur ein rein theoretischer Wert. Es gibt nämlich zwei Arten von Auflagen, die Druckauflage und die Verkaufsauflage. Acht Millionen Stück betrug die Druckauflage. Je vier Millionen Marken gingen in die Filialen und an die Verkaufsstellen des Sammlerdienstes der Deutschen Post. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie auch verkauft wurden. Im Gegenteil, in den Filialen liegen Zuschlagsmarken gewöhnlich wie Blei in den Auslagen. Auch der Sammlerdienst verzeichnet ein stetig nachlassendes Interesse. Damit kommt dann wieder der Erlös von circa einer Million Euro ins Spiel. Dieser spiegelt die Verkaufsauflage. Rechnet man von einer Million Euro Erlös hoch, kommt man bei 42 Cent Zuschlag auf eine Verkaufsauflage von gut 2,38 Millionen Stück. Das ist, vergleicht man die Zahlen mit den bekannten Auflagen der Zuschlagsmarken vor 2013, ein durchaus respektabler Wert. Geht man davon aus, dass Zuschlagsmarken üblicherweise fast nur von Sammlern gekauft werden, kann man relativ sicher einschätzen, dass für den philatelistischen Markt genügend Exemplare der Hochwasser-Zuschlagsmarke vorhanden sind. Ausdrücklich bestätigte Nimindé-Dundadengar, dass das Ministerium nur die Druck-, nicht aber die Verkaufslage mitteilte: „Bei der kommunizierten Zahl handelt es sich – wie auch sonst bei den Angaben zu den Auflagen von anderen Sonderpostwertzeichen üblich – um die Druckauflage. Die Verkaufszahlen werden üblicherweise nicht kommuniziert.“

Der Unterschied zwischen Druck- und Verkaufsauflage ist vor allem bei Zuschlagsmarken relevant. Diese haben eine begrenzte Verkaufszeit an den Schaltern. Beim Sammlerdienst sind sie zwar länger erhältlich – die inzwischen abgeschafften „Erlebnis: Briefmarken“-Teams warteten mit manchem Schätzchen in den Schatullen auf –, müssen aber irgendwann auch abgerechnet werden; die Zuschlagsempfänger brauchen das Geld schließlich. Daher kann man davon ausgehen, dass die Auflagen der Zuschlagsmarken ab 2013 stets deutlich geringer ausfallen, als dies offiziell mitgeteilt wurde. Anders schaut dies bei den meisten Sondermarken aus. Diese bleiben so lange im Verkauf, bis alle Bogen Käufer gefunden haben. Die eine oder andere Remission dürfte es geben, beispielsweise weil Postfilialen schließen. Auch können Kunden verdorbene Marken zurückgeben und erhalten im Gegenzug verwendbare. Faktoren wie diese fallen aber nicht sonderlich ins Gewicht. Lediglich nach Portoänderungen kann die Verkaufsauflage deutlich unter der Druckauflage liegen, wenn die Post Marken zu alten Portosätzen nicht mehr an den Schaltern vorhält. Zuletzt war dies Mitte 2019 der Fall. Zum kommenden Jahreswechsel möchte die Deutsche Post die Entgelte erneut anheben.

Die Unterscheidung zwischen Druck- und Verkaufsauflage gilt für die ab 2013 ausgegebenen Sonder- und Zuschlagsmarken. Für die Jahre zuvor hatte die Deutsche Post jeweils die Verkaufsauflagen mitgeteilt. Für die fünfziger und sechziger Jahre kann man annehmen, dass die letztendlich verkaufte Auflage etwas unter den von der Deutschen Bundespost mitgeteilten, äußerst runden Werten – meist 20 oder 30 Millionen Stück – liegt. Damals waren Briefmarken nämlich nur für einen begrenzten Zeitraum frankaturgültig. Folglich konnten sie nur bis zu einem festgesetzten Zeitpunkt verkauft werden. Auch durften Postkunden nach dem Ende der Frankaturgültigkeit Briefmarken in den Postämtern gegen noch gültige umtauschen. Eventuell existieren zu den Mengen, die am Rückzugstag noch vorlagen respektive umgetauscht wurden, Unterlagen im Bundesarchiv. Für den philatelistischen Markt dürfte es angesichts der großen Gesamtauflagen aber keine nennenswerte Rolle spielen, ob ein paar hunderttausend oder gar eine Million Marken weniger in Umlauf gekommen sind als bislang angenommen. Höchstens für die ersten Jahrgänge Bund wären genauere Auflagezahlen, sofern sie beschaffbar sind, hilfreich. Die postseitig mitgeteilten Auflagen der Zuschlags- und Freimarken dürften derweil durchgehend den Verkaufsauflagen weitgehend entsprechen.