Wollte ein Postnutzer im alten Preußen einen Brief versenden und hatte nicht die passende Wertstufe zur Hand, kam er womöglich auf die Idee, eine vorhandene Marke zu zerschneiden, um das korrekte Porto darzustellen. Von der preußischen Post gab es weder amtliche Verordnungen über den Gebrauch noch Hinweise auf die Duldung halbierter Briefmarken. Dennoch sind heute vier Halbierungen bekannt, die im Königreich Preußen unbeanstandet befördert wurden.

Eine der schönsten unter ihnen ziert den Stralsund-Brief mit seiner kalligrafisch eindrucksvollen Anschrift. Der Brief wurde im damals pommerschen Stralsund an der Ostsee aufgegeben und ging an einen Maurermeister in Berlin, was eine Frankatur von 3 Silbergroschen erforderte. Aufgeklebt sind jedoch zwei blaue Freimarken zu je 2 Silbergroschen, von denen das rechte Exemplar senkrecht zerschnitten wurde.

Die beiden farbfrischen Marken mit dem Porträt König Friedrich Wilhelms IV. sind mit einem sauber aufgesetzten kleinen Zweikreisstempel von Stralsund entwertet. Von der zweiten Ausgabe auf glattem Grund von 1857 ist nur diese eine halbierte Freimarke bekannt. Nachdem berühmte Philatelisten wie Philipp von Ferrary, John R. Boker und Erivan Haub den Stralsund-Brief in ihre Sammlungen aufgenommen hatten, befindet sich diese Preußen-Seltenheit seit 2020 in Privatbesitz.

Erstausgabetag: 1. März 2023

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