(tb) Nach den „Erlebnis: Briefmarken“-Teams schließt die Deutsche Post jetzt eine weitere philatelistische Institution. Mit dem 1. August stellt die Sonderstempelstelle Berlin ihre Arbeit ein. Für philatelistische Stempelaufträge zeichnet fortan allein die Sonderstempelstelle Weiden verantwortlich.
Damit verschwindet das letzte Relikt der einstigen Berliner Versandstelle. Diese gab es schon im Kaiserreich. Während der deutschen Teilung bestanden im Britischen und im Sowjetischen Sektor von Berlin eigene Versandstellen. Nach der deutschen Einheit verlor Berlin ebenso wie die Versandstelle in Frankfurt am Main mehr und mehr Aufgaben an die Versandstelle in Weiden, bis diese allein für die Belieferung der Philatelisten zuständig war. Die Stempelstellen Berlin und Bonn blieben vorerst. Bonn schloss bereits vor einigen Jahren, nunmehr gibt es auch aus Berlin keine sauberen philatelistischen Stempelungen mehr.
Diese waren unter den Sammlern hoch geschätzt, weshalb viele von ihnen ihre Ersttagsbelege ausschließlich in Berlin einreichten – beide Stempelstellen, Berlin und Weiden, führten die Ersttags- und Erstverwendungsstempel parallel. Die Berliner Post-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter stempelten nicht nur sauber, sondern hatten auch den Versand über das heimische Briefzentrum gut im Griff. Zusätzliche Maschinenstempelungen, wie sie zahlreiche Sammler vom Briefzentrum 92 Amberg beklagten, gab es aus Berlin so gut wie nie.
Auch in puncto Service glänzte Berlin. Selbst in Empfangsbriefzentren mit zusätzlichen Stempelungen verhunzte Belege wurden anstandslos umgetauscht, obgleich die Berliner wahrlich nichts dafür konnten, dass irgendwo ganz weit weg auch eingehende Post durch die Stempelmaschine gejagt wurde. Die Stempelstelle Weiden berief sich dagegen fast immer auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Haftung nur für eigene Fehlstempelungen vorsehen, nicht aber für Belegzerstörungen im weiteren Postlauf. Dies galt sogar für Zweitstempelungen im Briefzentrum 92 Amberg, das für Weiden zuständig ist. Unzählige Leserbriefe veranschaulichten, welchen Rang die Berliner Sonderstempelstelle unter den Philatelisten einnahm. Hätten sie entscheiden können, welche Stempelstelle schließt, wäre die Wahl zweifellos mit eindeutiger Mehrheit auf Weiden gefallen.
Die Deutsche Post begründet das Ende der Berliner Stempelstelle mit der sinkenden Nachfrage. Das kann man nachvollziehen. Nicht nur die Auflagen philatelistisch inspirierter Briefmarken – man mache sich nichts vor, Zuschlagsmarken werden fast ausschließlich von Sammlern gekauft – und philatelistischer Produkte gehen deutlich zurück. Auch das Auftragsvolumen der Stempelstellen dürfte in den vergangenen Jahren kräftig im Minus gelegen haben.
Mit ihrer Verkaufspolitik trägt die Deutsche Post allerdings fleißig zum nachlassenden Interesse an der Philatelie bei. Wenn in Postfilialen nicht mehr für Briefmarken geworben wird, ja, fast überall nur noch ein kleines Sortiment selbstklebender Ausgaben vorrätig ist, wird sie keinen Nachwuchs für das schönste Hobby der Welt werben können. Selbst an den Philatelieschaltern hat sie ihre Angebote drastisch ausgedünnt. Sammler berichten, dass sogar an Ersttagen nur ein Teil der Neuheiten vorhanden war. Aus Österreich erfuhren wir, dass auf einer Briefmarkenausstellung am Verkaufsstand der Deutschen Post keine Originale mehr angeboten wurden – die Kunden sollten aus vorliegenden Listen bestellen, Weiden würde liefern. Nun, das tat kaum jemand.
Analog ist zu befürchten, dass bald kaum jemand noch Stempelaufträge einreichen wird. Wenn die philatelistische Saison nach der Sommerpause wieder beginnt, gehört die philateliefreundliche Institution in der Eresburgstraße 21 in Berlin-Tempelhof nämlich der Vergangenheit an.